<<RADIOBEITRAG WIRD AM 18.11.20 15:30 AUSGESTRAHLT>>
In Thüringen und Deutschland gibt es zahlreiche Menschen, die nicht krankenversichert sind. Sie können nicht einfach zu Ärzt:innen gehen, wenn sie krank sind. Das MediNetz Jena wurde 2011 gegründet, um diesen Menschen eine Krankenversorgung zu vermitteln bzw. eine Erstversorgung zu ermöglichen. Im Laufe der Zeit stieg die Patient:innenzahl an und überstieg damit die Kapazität des Vereins. Aus der Not wurde eine Tugend gemacht und 2016 ein neuer Verein gegründet, der sich durch eine Finanzierung des Landes Thüringen um die Versorgung der Patient:innen kümmert: der Anonyme Krankenschein Thüringen e.V. (AKST). Neben der gesundheitlichen Versorgung ist die weitere Aufgabe des AKST die (wieder)Vermittlung in eine Krankenversicherung. Durch diesen Verein ist es in Thüringen möglich vielen Menschen ohne Versicherung eine Gesundheitsversorgung zu sichern. Der AKST ist somit Vorbild für andere Bundesländer.
Wie genau der AKST funktioniert und vor welchen Problemen er aktuell steht, kann man in einem Radiointerview erfahren, was mit einem Vorstandsmitglied beider Vereine und einem Mitglied des MediNetzes geführt wurde. Dieser wird am 18.11.2020 um 15.30 Uhr beim „Offener Kanal Jena“ (OKJ) in der Sendung „Jena-Zeit“ ausgestrahlt. Ihr findet ihn auch unter folgendem Link.
Allgemeine Pressemitteilung:
Die Medinetze
und -büros aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen kündigen für
den 06.11.2020 einen überregionalen Aktionstag an. Mit vielfältigen
Aktionsformen wollen sie auf die aktuellen Missstände im deutschen
Gesundheitssystem aufmerksam machen, insbesondere im Bezug auf die
Versorgung von Menschen ohne Krankenversicherung.
„Dass
das deutsche Gesundheitssystem vor allem gegenüber Randgruppen der
Bevölkerung nicht solidarisch ist, wissen wir nicht erst seit
Beginn der Corona-Pandemie.“, so eine Aktivistin des Medinetzes
Leipzig. „Doch seit der Corona-Pandemie zeigt sich die
Dringlichkeit des Problems so deutlich wie nie zuvor. Dass es
überhaupt Menschen gibt, die in Deutschland nicht krankenversichert
sind, ist vielen gar nicht bewusst. Doch zum Beispiel Wohnungslose,
Menschen aus dem EU-Ausland, Asylsuchende und viele andere Gruppen
haben hier kaum oder gar keinen Zugang zu Gesundheitsversorgung.“
Das Statistische Bundesamt gab für das Jahr 2019 eine Zahl von rund
61.000 Unversicherten mit deutscher Staatsbürgerschaft oder
gültigem Aufenthaltstitel an. (1)
Wissenschaftliche
Untersuchungen gehen außerdem davon aus, dass sich 2015 etwa
180.000 bis 520.000 Menschen ohne Papiere in Deutschland aufhielten.
(2)
Wenn
Menschen es aus Angst vor hohen Kosten oder rechtlichen Konsequenzen
vermeiden, einen Arzt oder eine Ärztin aufzusuchen, führt dies zu
vermeidbaren Verschlimmerungen und Chronifizierungen von
Erkrankungen.
In
ganz Deutschland arbeiten die Medinetze und -büros seit Jahren
praktisch und politisch daran, diesen Missstand zu beheben. Sie
engagieren sich ehrenamtlich, um für Menschen ohne
Krankenversicherung medizinische Versorgung zu vermitteln. Aber ihr
langfristiges Ziel ist ein anderes. „Es kann nicht Aufgabe eines
ehrenamtlichen, spendenfinanzierten Vereins sein, die
Gesundheitsversorgung eines ganzen Teils der Bevölkerung zu
ermöglichen. Diese Aufgabe sehen wir beim deutschen Staat“, so
ein Mitglied des neugegründeten Medibüros Chemnitz. Ein mögliches
Konzept, um für Menschen ohne Krankenversicherung möglichst
niedrigschwellige medizinische Versorgung zu ermöglichen, ist ein
sogenannter Anonymer Behandlungsschein, der von unabhängigen,
öffentlich geförderten Stellen ausgegeben wird. Diese Stellen
ermöglichen es Betroffenen, anonym und kostenfrei
Gesundheitsversorgung in Anspruch zu nehmen. Gleichzeitig wird über
eine Clearingberatung versucht, gemeinsam mit den Menschen einen Weg
in die medizinische Regelversorgung zu finden.
In
Thüringen bewährt sich dieses Konzept bereits seit 2017
landesweit; seit 2019 gibt es ein ähnliches Projekt in der Stadt
Leipzig. In Sachsen-Anhalt und Sachsen arbeiten Mitglieder der
dortigen Medinetze und -büros gerade an der Umsetzung ähnlicher
Projekte auf Landesebene.
„Mit
einem Anonymen Behandlungsschein wären längst nicht alle Misstände
des deutschen Gesundheitssystems beseitigt“, gibt ein Aktivist des
Medinetzes Halle zu. „Aber für viele Menschen, die sich im Moment
nicht darauf verlassen können, dass sie Zugang zu einer Behandlung
hätten, wenn sie krank werden, würde die Einführung eines solchen
Projekts eine massive Verbesserung der Situation bedeuten. Mit dem
Aktionstag möchten wir auf unsere Initiative aufmerksam machen.“
(1) StBA –
Statistisches Bundesamt (2019). Weniger Menschen ohne
Krankenversicherungsschutz. Pressemitteilung Nr. 365 vom 15.September
2020. Abzurufen
unter:https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2020/09/PD20_365_23.html
(2) Vogel, Dita (2016). Kurzdossier:
Umfang und Entwicklung der Zahl der
Papierlosen in Deutschland. Fachbereich 12. Arbeitsbereich
Interkulturelle Bildung. AbIB-Arbeitspapier 2/2016. Abzurufen unter:
http://docplayer.org/49503644-Kurzdossier-umfang-und-entwicklung-der-zahl-der-papierlosen-in-deutschland.html